Co-Chef von Planted kritisiert Coop und Migros

Pascal Bieri ist Mitgründer der jungen Fleischersatz-Firma Planted. Im Interview spricht er über scheinheilige Nachhaltigkeitswerbung von Detailhändlern, Expansionspläne – und erzählt, wie sich Mitinvestor Yann Sommer in das Unternehmen einbringt.

Pascal Bieri, Co-Chef von Planted
Pascal Bieri, Co-Chef von Planted, findet, man müsste die Subventionen in der Landwirtschaft allgemein überdenken.

Wann haben Sie zum letzten Mal eine Bratwurst aus Fleisch gegessen?

Pascal Bieri: Das ist länger her, wohl irgendwann mal an einem Fussball-Match. Ich bestelle nie tierisches Fleisch, wenn ich es vermeiden kann. Aber wenn ich irgendwo eingeladen bin und ein Poulet oder eine Wurst aufgetischt wird, esse ich davon.

Die neuste Innovation von Planted ist eine vegane Wurst. Wie sind die Umsatzzahlen bisher damit?

Wir sind zufrieden, auch wenn wir die Wetterabhängigkeit der Grillsaison spüren. Die letzten Wochen waren nun mal noch nicht sehr sommerlich. Aber das Feedback ist toll. Und wir konnten soeben die Deutsche Bahn als neue Kundin für unsere Wurst gewinnen. Zudem sind wir mit Fussballstadien im Gespräch.

Für viele Fussballfans dürfte der Rindsburger oder die Kalbsbratwurst zum Match- dazugehören. Sind Stadien wirklich offen für vegane Würste?

Natürlich braucht es Überzeugungsarbeit. Oft hören wir: ‹Niemand fragt uns in der Matchpause nach einer veganen Wurst.› Aber das ist ja logisch, wenn man nur vier, fünf Produkte auf der Menütafel sieht. Wer auf Fleisch verzichten will, wählt dann halt Pommes frites. Andererseits sind wir mit unserem Food-Truck bereits an Events wie dem Greenfield und dem Openair St.Gallen, mit grossem Erfolg. In Hamburg waren wir zuletzt an einem Openair mit 70’000 Zuschauern, und alle Angebote waren mindestens vegetarisch.

Pascal Bieri, Co-Gründer und Co-Chef von Planted

Pascal Bieri gründete 2019 mit Christoph Jenny, Eric Stirnemann und Lukas Böni das Startup Planted Foods an der ETH Zürich. Planted mit Sitz im zürcherischen Kemptthal ist heute eines der schnellst wachsenden Unternehmen im Markt für alternative Proteine. Derzeit beschäftigt das Startup 240 Mitarbeitende und beliefert sieben europäische Länder. Der 37-jährige Pascal Bieri ist Geschäftsleitungsmitglied und zuständig für den Verkauf und die Geschäftsentwicklung im Ausland. Der HSG-Absolvent arbeitete zuvor fünf Jahre bei der Migros Industrie in verschiedenen Positionen, davon drei Jahre in den USA.

Was ist denn der Blockbuster im Planted-Sortiment?

In den meisten Ländern ist unser Kebab am erfolgreichsten. Gerade in Deutschland hat das Kebab-Fleisch qualitativ keinen guten Ruf. Da ist für viele unsere Alternative eine willkommene Abwechslung. In der Schweiz ist vor allem unser Poulet gefragt, gerade auch in der Gastronomie, wo wir fünfzig Prozent unseres Umsatzes erzielen.

Und wann gibt es einen Planted-Burger bei McDonald’s und Burger King?

Von mir aus je früher, desto besser (lacht). Wir sind mit diesen beiden Ketten im Gespräch, wie auch mit anderen.

Bei wie vielen Supermärkten sind Ihre Produkte inzwischen im Sortiment?

Insgesamt gibt es Planted-Produkte an 6500 Verkaufsstandorten in Europa. In der Schweiz sind wir bei fast allen Detailhändlern erhältlich, in Deutschland und Österreich auch. In Grossbritannien konnten wir zuletzt Morrisons als Kunde gewinnen, in Belgien Colruyt und in Italien Esselunga.

Heute sind die veganen Produkte in einem separaten Abteil im Kühlregal, gleich neben den Fleischregalen. Finden Sie das gut?

Ich arbeitete eine Zeit lang in den USA und sah dort Supermärkte, die vegane Burger-Patties gleich neben den Fleisch-Patties platzierten, sodass die Kundschaft stets die vegane Alternative zur Auswahl hat. Ein solches Protein-Regal fände ich auch in der Schweiz eine gute Idee, die man zumindest prüfen sollte.

Das dürfte Hardcore-Veganerinnen und -Veganern nicht gefallen.

Stimmt, das verstehe ich auch. Manchen Leuten wird es fast schlecht, nur schon wenn sie ein Fleischstück sehen. Aber der positive Effekt für einen nachhaltigeren Konsum wäre mit dieser Massnahme enorm, weil heute nach wie vor viele Leute am veganen Regal vorbei laufen. Auch unsere Hauptzielgruppe sind Fleischesser. Zudem sehe ich beim Protein-Regal grosses Potenzial für die Glaubwürdigkeit der Supermärkte.

Wie meinen Sie das?

Heute sprechen die Detailhändler sehr gerne über ihre Energie-Sparmassnahmen durch geschlossene Kühlregale oder elektrische Lastwagen. Das ist gut und recht. Aber ihr Umwelt-Fussabdruck ist zu einem riesigen Ausmass bestimmt durch die Produkte, die im Warenkorb landen. Aber dort schieben die Händler die Verantwortung stets auf die Konsumentinnen und Konsumenten ab. Dann heisst es, die Kundschaft will nun mal Erdbeeren im Winter, also stellen wir sie zur Verfügung.

Was wohl stimmt.

Klar. Aber dann müsste man so ehrlich sein und die daraus entstehende Umweltbelastung im Regal ausweisen. Bei Früchten und Gemüsen, und natürlich auch beim Fleisch. Immer nur die Kundschaft in die Verantwortung zu nehmen, das ist für mich eine billige Ausrede. Es sind die Händler, die in der Verantwortung stehen!

Das gilt auch für Migros und Coop, die sich gern für ihre Nachhaltigkeit rühmen?

Natürlich. Insbesondere für Migros und Coop. Sie stehen in der Pflicht.

Überzeugen denn alle veganen Fleischalternativen?

Nicht immer. Kürzlich entdeckte ich in einem deutschen Supermarkt veganen Scheibenkäse. Auf der Rückseite stand, dass es gerade mal ein Prozent Protein aufweist. Mehrheitlich steckte Fett drin. Das ist für mich Konsumententäuschung. Es täte unserer Industrie wohl gut, wenn es gewisse Richtlinien gäbe, von der Verarbeitung, der Zutatenliste, bis zu den Nährwerten. Manche Essenslieferdienste überlegen sich beispielsweise, wie sie die Nachhaltigkeit bei der Auswahl steigern können, indem zum Beispiel der CO2-Ausstoss eines Menüs angezeigt wird.

Ihre Produkte gibt es heute in sieben Ländern in Europa. Sind auch die USA ein Thema?

Heute und morgen nicht, dafür ist das Potenzial in Europa noch zu gross. Und wir möchten uns nicht verzetteln.

Zuletzt hatten es vegane Fleischalternativen eher schwer, weil sie tendenziell teurer sind und die Inflation das Portemonnaie belastet. Nestlé gab gar seine Garden-Gourmet-Linie in Grossbritannien auf. Spüren Sie diese Zurückhaltung im Markt auch?

Nicht wirklich. Und eine gewisse Konsolidierung im Regal ist aus unserer Sicht nicht schlecht. Denn heute ist es ziemlich unübersichtlich, es gibt viele Marken, die ihr Glück versuchen, ohne geschmacklich einen Mehrwert zu bieten. Bei manchen Produkten riecht man die zugesetzten Aromen auch noch beim Gang aufs WC. Das hilft dem Image unserer Industrie nicht.

Nach wie vor sind viele Leute skeptisch gegenüber veganem Fleisch, weil es in einem hoch industrialisierten Prozess gefertigt wird.

Natürlich wachsen unsere Produkte nicht am Baum. Wir nutzen aber nur natürliche Zutaten und keine Zusatzstoffe. Die Produktionsschritte ähneln jenen in einer Grossbäckerei. Wir mischen einen Teig, erhitzen ihn. Danach wird er fermentiert, um zusätzliche Geschmäcker reinzubringen.

Das tönt nicht sehr natürlich und appetitlich.

Bei unserer Herstellung müssen wir vielleicht noch mehr Aufklärungsarbeit leisten. Aber im Gegensatz zum Schlachthaus haben wir nichts zu verstecken.

Sie bewerben Ihre Produkte nicht nur als klimafreundlicher, sondern auch als gesünder als Fleisch. Konkret: Wie viel gesünder ist Planted-Geschnetzeltes im Vergleich zum tierischen Original?

Beim Proteingehalt ist unser Poulet mindestens gleichwertig mit der Fleisch-Version. Es enthält mehr ungesättigte Fettsäuren und zusätzlich Nahrungsfasern, die gut für die Verdauung sind. Zudem ist unser Produkt nicht mit antibiotikaresistenten Bakterien belastet, wie es in bis zu 90 Prozent der Pouletprodukte der Fall ist.

Aber ist die Qualität der pflanzlichen Proteine wirklich gleich gut wie bei den tierischen?

Im Erbsenmehl, das wir für die Herstellung verwenden, sind alle lebensnotwendigen Aminosäuren so vorhanden, dass sie unser Körper aufnehmen kann. Indem wir zusätzlich Proteine aus Hafer und Sonnenblumen beimischen, erreichen wir sogar ein noch besseres Aminosäurenprofil als in manchen tierischen Produkten.

In der Kritik steht auch die Namensgebung Ihrer Produkte. Bezeichnungen wie «planted.chicken» oder «wie Schwein» täuschen die Kundinnen und Kunden, findet der Bund. Wieso verzichten Sie nicht einfach auf Begriffe aus dem Fleischuniversum?

Wir hegen keinerlei Absicht, jemanden zu täuschen. In der Praxis passiert das auch nicht. Zumindest haben wir noch nie ein entsprechendes Feedback von einer Konsumentin oder einem Konsumenten erhalten. Wir wählen unsere Bezeichnungen so, dass für alle auf den ersten Blick klar ist, wie sie das Produkt in der Küche einsetzen können. Dass die Proteine pflanzlich sind, steht gross auf der Verpackung.

Derzeit beschäftigt sich das Bundesgericht mit der Namensfrage..

… und das, obwohl Fleischersatzprodukte gerade mal einen Marktanteil von 2,8 Prozent aufweisen! Mengenmässig sind wir noch nirgends. Ich glaube aber, dass sich die Fleischindustrie je länger je mehr ihrer Angriffspunkte bewusst wird. Ich habe noch nie einen Metzger getroffen, der gerne den Bolzen setzt. Zudem fliessen enorm viele Subventionen in diese Branche. Dass nun eine neue Generation von Produkten heranwächst, die effizienter in der Herstellung und gesünder sind, macht der Fleischindustrie Angst.

Sollten die Subventionen für Fleisch gestrichen werden?

Ich denke, man müsste die Subventionen in der Landwirtschaft allgemein überdenken. Zumindest müsste man sie so ausgestalten, dass nicht eine Industrie bevorzugt wird, die noch dazu dem Klima und der Biodiversität schadet. Im Moment sind wir weit von dieser Vision entfernt. Ein Beispiel: Für viele Tierfutterarten müssen keine Importzölle gezahlt werden. Für Rohstoffe, die direkt für die menschliche Ernährung gebraucht werden, schon.

Planted existiert gerade mal seit vier Jahren. Im Herbst konnten Sie eine Finanzierungsrunde von über 70 Millionen Franken abschliessen. Was hat das ausgelöst: totale Euphorie oder vor allem Druck, weil die Erwartungen der US-Investoren erfüllt werden müssen?

Weder noch. Es ist vielmehr eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir tüfteln nicht mehr an der ETH, sondern haben bewiesen, dass wir skalieren können und dass es für unsere Produkte einen Markt gibt. Jetzt liegt der Fokus darauf, weitere, komplexere Prozesse zu skalieren, um ganze pflanzliche Fleischstücke wie unser Steak oder die Pouletbrust in die Supermärkte zu bringen.

Und wann schreibt Planted erstmals Profit?

Das hängt davon ab, wie viel wir in die Produktion und neue Produkte investieren werden, denn wir wollen schliesslich wachsen. Aber wenn wir die Expansion heute stoppen würden, wären wir relativ schnell profitabel.

Zu Ihren bekannteren Investoren gehören auch der Denner-Erbe Philippe Gaydoul und der Fussball-Nati-Torhüter Yann Sommer. Wie bringen sie sich ein?

Philippe Gaydoul über sein grosses Netzwerk und seine Erfahrung im Retail-Bereich. Yann Sommer liegt eine gesunde, aber gleichzeitig schmackhafte Ernährung für Jugendliche am Herzen.

Bei der ebenfalls noch jungen Schweizer Schuhfirma On liessen sich die Gründer zuletzt schamlos hohe Löhne auszahlen. Wie sieht es bei Planted aus?

Wir bewegen uns bei weitem nicht in diesen Sphären. Im Gegenteil, unsere Löhne sind wahrscheinlich sogar etwas unterdurchschnittlich. Dafür können sich unsere Mitarbeitenden an der Firma beteiligen.

Und wie zahlen Sie und die anderen drei Gründungsmitglieder sich aus? Mehr als eine Million?

Nein, viel weniger! Wir haben uns erst gerade überlegt, ob wir alle Löhne offenlegen sollen. Schwieriges Thema, wir haben aber noch keinen Entscheid gefällt.

Mit wie vielen Mitarbeitenden rechnen Sie mittel- bis langfristig?

Derzeit haben wir 240 Mitarbeitende, bis Ende Jahr rechne ich mit rund 300. Aber als Firma müssen wir nun auch lernen, in gewissen Bereichen effizienter zu werden und nicht nur über zusätzliche Mitarbeitende zu wachsen.

Ihr neustes Produkt, die Bratwurst, wird erstmals nicht mehr am Hauptsitz im Kemptthal produziert, sondern bei einer Drittfirma in Deutschland. Weshalb?

Aus Kapazitätsgründen, aber auch aus Nachhaltigkeitsüberlegungen. Wir wollen unsere Produktion näher an die Absatzmärkte rücken – insbesondere dorthin, wo wir viel verkaufen. Und die Wurst ist in Deutschland nun mal eine Institution. Alle anderen Produkte – Chicken, Kebab, Pulled – werden im Kemptthal produziert.

Planted bezieht allerdings fast alles Proteinpulver aus dem Ausland. Weil die einheimischen Rohstoffe zu teuer sind?

Die Rohstoffe sind ein grosser Kostenpunkt bei der Herstellung unserer Produkte. Dieses Jahr verwenden wir aber erstmals auch Schweizer Erbsenmehl. Sobald dieses in der nötigen Menge und Qualität verfügbar ist, soll der Anteil steigen. Die Preise werden wir deshalb aber nicht erhöhen. Wir wollen die Mehrkosten mit Effizienz auffangen. Unser Ziel ist es, günstiger zu werden als Fleisch. Schweizer Rohstoffe sollen uns auf dieser Mission nicht aufhalten.

Planen Sie eine neue Fabrik oder einen Ausbau in Kemptthal?

Das prüfen wir zurzeit. Denn derzeit stossen wir an unsere Grenzen. Möglich wäre eine Erweiterung in Kemptthal oder an einem andern Ort im In- oder im Ausland. Klar ist, dass wir in den nächsten 12 bis 24 Monaten mit der konkreten Planung beginnen werden.


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